Voll flexibel oder voll entwurzelt?
Existiert in der Homeoffice-Economy noch Teamgeist?
Mit der voranschreitenden Digitalisierung geht auch weitreichende Dezentralisierung einher. Diese betreffen nicht nur Geschäftsmodelle und Prozesse, sondern auch das Recruiting von Talenten. Die Coronapandemie hat in diesem Zusammenhang wie ein Turbo gewirkt, da Unternehmen in den meisten Sektoren von einem auf den anderen Tag ihre Organisation sowie ihr Handeln dezentral aufstellen mussten. Mit der Home-Office-Pflicht ist der Druck der Dezentralisierung im Recruiting spürbar. Dadurch dass es auf einmal immer weniger Präsenzpflicht gab, konnte plötzlich auch ortunabhängig nach Bewerbern gesucht werden, was eine neue Dynamik in den Markt brachte. Zwar haben Unternehmen in dieser Arbeitswelt eine deutlich größere Auswahl an qualifizierten Kandidaten, das ortsunabhängige Arbeiten birgt jedoch auch seine Tücken. Wie sollen Arbeitskräfte der Gig- und Projekt-Economy ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickeln? Welchen Wert hat Teamgeist im Kontext dezentraler Arbeit überhaupt noch? Welche technischen Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit ortsunabhängige Modelle funktionieren? Und ist diese Art von Zusammenarbeit überhaupt für jeden geeignet? Diese und andere Fragen stellen sich momentan Führungskräfte rund um den Globus. Schließlich stehen der neuen Arbeitswelt Erkenntnisse aus jahrzehntelanger Organisation von Arbeit im „old normal“ entgegen. Und diese Erfahrungswerte gilt es zu nutzen, um Unternehmen auch in einem dezentralen Setting produktiv und damit konkurrenzfähig zu machen.
Austausch und Unterstützung durch Führungskräfte und andere Bezugspersonen im Team haben einen großen Einfluss auf Motivation, Leistungsbereitschaft und Loyalität zum Unternehmen. Isolation dagegen, auch wenn diese lediglich so wahrgenommen wird, schadet der Produktivität sowie der sozialen Verbundenheit zum Unternehmen.
Um eines jedoch gleich vorwegzunehmen: Ein allgemein gültiger Lösungsansatz für diese Herausforderungen existiert nicht. Denn so unterschiedlich die Menschen sind, aus denen eine Organisation besteht, so facettenreich muss auch die Herangehensweise des Unternehmens in diesem Kontext sein. Um Zufriedenheit und damit zusammenhängend auch die Motivation und Loyalität von Auftrag- und Arbeitnehmern zu fördern, müssen diese eine Situation vorfinden, die es ihnen erlaubt, ihre Arbeitsumgebung ganz ihren individuellen Vorstellungen anzupassen. Im Idealfall sollte das Unternehmen dem Mitarbeiter dabei umfassende Unterstützung angedeihen lassen – auch was die technische Infrastruktur angeht. Zudem werden klassische Büroräume auch in der neuen Arbeitswelt nicht wegbrechen. Sie müssen jedoch anders gedacht werden: Nämlich als räumliche Angebote, die auf Wunsch und jederzeit genutzt werden können, aber nicht müssen. Dabei gilt es eine Möglichkeit der flexiblen Anpassung an mobile und dezentrale Arbeitswelten bereitzustellen.
Auch hinsichtlich der Organisationskultur gibt es einige wichtige Aspekte zu beachten. So sollten beispielsweise Arbeitskräfte, die dezentrales Arbeiten bevorzugen die gleiche Anerkennung erfahren wie ihre Kollegen, die unter Umständen die Nutzung von Büroräumen im Firmensitz bevorzugen. Hier haben sich Kooperationsmodelle als nützlich erwiesen, in deren Rahmen kleine Teams zu gleichen Teilen aus beiden Gruppen zusammengesetzt wurden.
Zusätzlich zu Fragestellungen die sich mit Organisation, Prozessen und der Zusammenführung von dezentraler und zentraler Arbeit befassen, sind auch „softe“ Faktoren von elementarer Bedeutung. Diese können beispielsweise im Bereich Employer Branding verortet sein. Angebote wie etwa eine Mitgliedschaft im Fitness-Clubs, Zugang zu dezentralen Co-Working-Spaces und andere Benefit können die Verbundenheit zu einer Organisation darüber hinaus verstärken.
Im Zuge der digitalen Transformation verschiedenster Branchen wird die Menge an dezentral arbeitenden Unternehmen rapide zunehmen. Aus diesem Grunde sind muss auch eine zeitgemäße Personalabteilung auf diese Anforderungen eingestellt und bestens vorbereitet sein – allen voran der/die CHRO (Chief Human Resources Manager) eines Unternehmens, deren Wirkungsbereich wir bereits in einem früheren Blog-Artikel unter die Lupe genommen haben.